Forschung
Die Bibel unter die Leute bringen

Die Reformation ist immer wieder als «Bildungsbewegung» beschrieben worden. Die Heilige Schrift sollte allen zugänglich werden. Mit der Tagung «Die Bibel unter die Leute bringen» sollen aus Anlass des fünfhundertjährigen Jubiläums der sogenannten «Prophezey» kirchenhistorische wie allgemeinhistorische Zugänge zu Medien und Prozessen religiöser Wissensvermittlung im frühneuzeitlichen Reformiertentum diskutiert werden.
Zentral für den reformierten Protestantismus ist nach eigenem Selbstverständnis von Anfang an die normative Zentrierung auf die Bibel. Daher stellen sich etwa folgende Fragen:
- Inwiefern hat die Reformation zur Literalisierung der Bevölkerung beigetragen (oder auch nicht)?
- Wer besass eine Bibel und las sie zu welchen Gelegenheiten?
- Wie lassen sich Bibelübersetzungen in die jeweilige Volkssprache als Medien religiöser Bildung beschreiben?
- Wie schlug sich reformierte Überzeugung in Sprache nieder?
Das Anliegen, Gläubigen das «richtige» religiöse Wissen zu vermitteln, schlägt sich im frühneuzeitlichen Reformiertentum in einer Vielzahl von Lebensbereichen nieder.
- Gilt dies auch für den Bereich der seelsorglichen Arbeit – und wenn ja, inwiefern?
- Lassen sich träger- und/oder zielgruppenspezifische Varianten dieses Anspruchs beobachten – und gibt es dabei gattungsspezifische Besonderheiten?
- katechetischen Strategien lassen sich anhand unterschiedlicher katechetischer Medien (Lehrbücher, Lieder, Bilder, Schauspiele usw.) beobachten – und gibt es Hinweise darauf, wie diese von den Rezipienten aufgenommen wurden?
- (Inwiefern) spielt der Anspruch der Schriftgemässheit eine Rolle bei der Konzeption und Verwendung katechetischer Medien?
Was ist Gewalt?

Muss Blut fliessen oder reicht eine verletzende Bemerkung oder Geste? Und überhaupt, ändert sich Gewalt historisch oder gehört sie nicht vielmehr zu den unveränderlichen Eigenschaften der Menschheit?
Obwohl Geschichte voller Gewalt ist, hat die Geschichtsschreibung Gewalt zumeist nur als folgenreiches Ereignis betrachtet. Kriege, Königsmorde, Attentate sind hierfür ein Beispiel. Kriminalitätsgeschichte hingegen sucht Gewalt als Faktor geschichtlicher Entwicklungen von Gesellschaft zu erfassen. Gewalt ist eine illegitime körperliche, sprachliche und symbolische Grenzüberschreitung, welche diejenigen, denen Gewalt angetan wird, zu brechen sucht. Wo diese Grenze liegt, ist von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich und daher historisch wie kulturell wandelbar.
Ein Beispiel: Wenn heute immer mehr Opfer sexueller Gewalt in Industrieländern an die Öffentlichkeit gehen und Schadensersatz fordern, setzt dies zweierlei voraus: Zum einen, dass Sexualität nicht (mehr) tabuisiert wird, zum anderen, dass bestimmte verbale Bemerkungen oder Körperkontakte nicht mehr als Harmlosigkeiten und banale Ausrutscher betrachtet werden.
Was macht Gewalt in einer Gesellschaft zu Gewalt, zu einer intolerablen Verletzung der Betroffenen? Dieser Grundsatzfrage nachzugehen, heisst wesentliche Normen sozialen Handelns und damit Gesellschaft in ihrem Wandel zu analysieren.
Forschungsinteressen
Prof. Dr. Francisca Loetz
Sprache und Geschichtswissenschaft, Historische Gewaltforschung, Kriminalitätsgeschichte, Sozial- und Kulturgeschichte des Religiösen, Probleme der Methodologie, Sozialgeschichte der Medizin
M.A. Nicole Zellweger
Theologie-, Kultur- und Sozialgeschichte der Reformation, Historische Semantik und Pragmatik, Raumgeschichte
M.A. Adrina Schulz
Historische Anthropologie, Sexualitäts- und Körpergeschichte, Stadt- und Alltagsgeschichte