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Historisches Seminar

Basler Selbstzeugnisse (17.-19. Jahrhundert)

Ausgehend von einem Archivseminar, das im Herbstsemester 2008 im Staatsarchiv Basel-Stadt unter der Leitung von Kaspar von Greyerz und Roberto Zaugg abgehalten wurde, haben Studierende vom Historischen Seminar (heute: Departement Geschichte) der Universität Basel vier handschriftlich überlieferte Selbstzeugnisse transkribiert und durch intensive Nachforschungen kritisch annotiert. Insgesamt erstrecken sich die Texte von der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie geben nicht nur (zum Teil sehr intime) Einblicke in die Lebenswelt ihrer Autoren, sondern bieten zugleich auch einen akteurszentrierten Zugang zu drei Jahrhunderten Geschichte einer städtischen Gesellschaft mitsamt ihren kulturellen Strömungen und politischen Umbrüchen.

 

Der früheste Text ist das Familienbuch des Notars Johann Conrad Schweighauser (1648-1713), dessen zeitlicher Umfang sich von 1663 bis 1712 erstreckt. Anhand dieses Selbstzeugnisses lässt sich nicht nur die soziale Vernetzung einer gut situierten Familie detailliert rekonstruieren, sondern auch die individuelle Perzeption ausserordentlicher Ereignisse (wie z.B. der Erscheinung eines Kometen) untersuchen. Die Edition wurde 2012 von Silvia Flubacher und Simone Zweifel - und unter Beteiligung von Arlette Birrer-Remund, Matthias Boos, Suzanne Rupp, Elijah Strub, Cyril Werndli und Marina Peterhans - mit dem Titel Das Familienbuch von Johann Conrad Schweighauser. Ein Basler Selbstzeugnis aus den Jahren 1663-1712 beim Schwabe Verlag herausgegeben.

 

Ebenfalls in die Gattung der Familienbücher gehört das Selbstzeugnis des herrnhuterischen Pfarrers Johann Rudolf Burckhardt (1738-1820). Dieser mit verschiedenen Illustrationen versehene Text, der von anderen Familienmitgliedern fortgeführt und nachträglich integriert wurde, ermöglicht eine transgenerationelle Rekonstruktion der Familiengeschichte in der konfliktgeladenen Zeit zwischen 18. und 19. Jahrhundert. Eine Analyse dieses Textes haben die Herausgeberinnen in der Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde (BZGA) publiziert: Nadia Nünlist, Rebekka Salm, Katharina Suter, Martina Vetterli: Das Familienbuch des Johann Rudolf Burckhardt, in: BZGA 2011, S. 45-76.

 

Einen sehr intimen Einblick in das „fromme Basel“ geben die Tagebücher des ebenfalls herrnhuterisch gesinnten Carl Brenner-Sulger (1806-1838), die sich von 1825 bis zu seinem Tod 1838 erstrecken. Unter anderem eröffnet dieser (zum Teil in Geheimschrift kodierte) Text einen Zugang zur pietistisch beeinflussten, von Zweifeln und Ängsten geprägten Selbstreflexion eines heranreifenden Jugendlichen. Die Edition der Tagebücher wurde von insgesamt 12 Studierenden erarbeitet: Helen Boutellier, Stefan Branca, Sandra Ebneter, Anina Eigenmann, Anna-Lea Graber, Anouk Gyssler, Daniela Hallauer, Flurina Joray, Franziska Kissling, Stephanie Mohler, Michel Schultheiss und Lea Williman. Die Edition ist 2010 unter dem Titel "Oh Herr, erbarme Dich mein“. Die Tagebücher von Carl Brenner-Sulger im Kontext des Basler Pietismus beim Schwabe Verlag erschienen.

 

Der autobiographische Lebensrückblick (1792-1863) von Eduard His-La Roche (1792-1871), dem Sohn des Revolutionsführers Peter Ochs, bezieht sich ebenfalls auf die Sattelzeit, erzählt aber aufgrund des familiären Hintergrunds eine ganz andere Geschichte. Im Zentrum dieses Textes stehen hier die zeitgenössischen Umbrüche (Helvetik, französische Besatzung, Kantonstrennung) und die Aufarbeitung des Familienlebens, das sowohl von der politischen Rolle des Vaters als auch von leiderfüllten Einzelschicksalen geprägt wurde. Die Herausgeber haben in der Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde (BZGA) eine Untersuchung dieser Autobiographie veröffentlicht: Mirjam Goldenberger, Deborah Pickering, Matthias Wiesinger, Sibylle Schaffhauser, Zamira Angst, Madeleine Gloor: Der Lebenslauf von Eduard Ochs / His-La Roche (1792-1871), in: BZGA 2011, S. 77-114.

 

Die Editionsprojekte wurden im Rahmen der Ausstellung Sammeln, sichten, sichtbar machen - Editionen in Basel (Universitätsbibliothek Basel, September-November 2010) präsentiert.